Besuch des Hessischen Landtags mit der Jahrgangsstufe 12 der Brühlwiesenschule Hofheim
Wiesbaden, Mittwoch 19.06.2024 – 8:30 Uhr – Umgeben von Sicherheitspersonal und Polizeibeamten versammeln sich 180 Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 12 vor dem Besuchereingang des Hessischen Landtages in Wiesbaden, um das Treiben in der „Herzkammer der Demokratie“, wie es die Landtagspräsidentin des Hessischen Landtages Astrid Wallmann nennt, einmal hautnah mitzuerleben. Schnell noch ein Gruppenfoto gemacht und schon geht‘s los: Ab durch die Sicherheitsschleuse wie vor einer Flugreise am Frankfurter Flughafen und dann hinein in die Räumlichkeiten des höchsten Verfassungsorgans des Landes Hessen.
Der Unterrichtsgang kommt passend zur eben erst stattgefundenen Europawahl, in der erstmals 16-Jährige wählen durften. Die junge Wählerschaft, so zeigen Umfragen, bevorzugte tendenziell progressive und alternative Parteien, wobei auch ein nicht unerheblicher Teil für die AfD stimmte. Dies lässt auf eine Unzufriedenheit mit der Politik der etablierten Parteien schließen.
Während die Hälfte der Schüler*innen zunächst die Plenarsitzung für eine Stunde von der Besuchertribüne aus verfolgen darf, stellen sich der anderen Hälfte der Schüler*innen fünf Politiker aus allen im Landtag vertretenen Fraktionen den zahlreichen Fragen der jungen Leute, welche diese in der Schule bereits vorbereitet hatten. Auch hier passt das Timing ausgezeichnet, denn im Powiunterricht steht derzeit „Parlamentarische Demokratie und politisches System“ im Lehrplan. Im Zuge dessen haben sich unsere Oberstufenschüler*innen bereits mithilfe der Juniorwahl zur hessischen Landtagswahl 2023 praxisnahes Basiswissen zum Hessischen Landtag, den Landtagswahlen und den Programmen der jeweiligen Parteien erarbeitet. Die Politiker*innen hatten es also mit „geübtem Personal“ aus der Brühlwiesenschule zu tun.
Derweil steht im Plenarsaal der Antrag der CDU/SPD-Fraktionen „Beteiligung und Förderung von Jugendlichen ausweiten“ zur Diskussion; passend für die 180 jugendlichen Besucherinnen und Besucher, die heute auf der Besucherterrasse Platz nehmen. Zufall oder Kalkül?
Während die AFD als größte Oppositionspartei im Hessischen Landtag als erstes ans Rednerpult darf, werden uns auf leisen Sohlen unsere Sitzplätze zugewiesen. Die einen haben einen direkten Blick auf das Rednerpult und das 12-köpfige Kabinett der seit Dezember 2023 amtierenden CDU-SPD-Regierungskoalition. Ministerpräsident Boris Rein ist leider abwesend. Andere wiederum haben die Fraktionen von „rechts“ nach „links“ – im wahrsten Sinne des Wortes – im Blick.
Es fühlt sich bizarr an, wenn die Parteien ihre Positionen zu dem Regierungsantrag ausführen, dabei teils sehr emotional für ein Wahlrecht ab 16 Jahren plädieren, den Jugendschutz anmahnen, ausführen, wie sehr sich die Jugendlichen in der Coronazeit solidarisch gezeigt hätten und sie dafür mehr Respekt und Einsatz verdient hätten, jedoch die oben sitzenden Jugendlichen dabei weder ansprechen noch ansehen. Es fühlt sich an, als säße man in einer schallisolierten und verspiegelten Glaskugel. Auch der Impuls, für ein Statement zu klatschen oder einzelne Aussagen durch leichtes Raune zu quittieren, muss unterdrückt werden, denn es herrscht absolute Schweigepflicht. Den Murmelgesprächen auf dem Flur auf dem Weg zu den Politikergesprächen nach zu urteilen, haben die einzelnen Ausführungen der CDU, der SPD, der AfD, der FDP und der Grünen die Schülerinnen und Schüler dennoch erreicht und für Diskussionsstoff gesorgt.
Während im Sitzungssaal ein strenges Essverbot herrscht, wird der andere Teil der Schülerschaft in einen großen Raum geführt, in dem Wasser, Obst, Schokoriegel und Muffins bereitstehen. Nach einer kleinen Stärkung stellen sich die fünf Parteienvertreter kurz vor, bevor die Fragerunde startet. Da sehr viele Schülerinnen und Schüler den Arm strecken, werden jeweils drei Fragen gesammelt, auf die alle Politikerinnen und Politiker in Kürze antworten. Dabei kristallisiert sich heraus, dass sich die Haltungen zu den Fragen zwischen den Parteien nicht zwangsläufig oder in jedem Fall eklatant unterscheiden. Schwerpunkte werden unterschiedlich gesetzt, Themen unterschiedlich bewertet, Dringlichkeiten anders priorisiert. Auf eine einzige Frage, so zeigt sich, gibt es eben in der Politik mehrere Antworten, was zur politischen Auseinandersetzung einlädt. Ob Klimaschutz, der Krieg in Gaza, Umgang mit Extremwetterlagen, die beklagte Wirtschaftsschwäche in Deutschland, der angespannte Wohnungsmarkt im Rhein-Main-Gebiet oder das Thema Migration; all diese Themen bewegen die Schülerschaft an diesem Vormittag. Das ein oder andere Statement polarisiert, endlich darf „geraunt“ werden, auch wenn eine lebhafte Diskussion nicht stattfinden kann. Klar wird in beiden Veranstaltungen, dass trotz aller Unterschiede in der Sache sich die vier etablierten Parteien klar gegen viele Positionen der AfD positionieren. Die parlamentarische Auseinandersetzung ist hier kein „Ringelpiez“, sondern es wird in der Sache gestritten, was eine Demokratie schließlich ausmacht.
Sehr gespannt lauschen die Schülerinnen und Schüler schließlich dem abschließenden Kurz-Statements der Vertreter der fünf Fraktionen, als ein Schüler sie auffordert, doch zu erklären, warum junge Menschen gerade ihre Partei wählen sollten.
Allgemein wird am Ende der Veranstaltung bedauert, dass die Zeit mit den Politikern und Politikerinnen viel zu schnell vergangen sei und noch viel zu viele vorbereitete Fragen offengeblieben seien.
Bereits im 8. Jahr durften also die Schülerinnen und Schüler unserer Oberstufe den Landtag in Wiesbaden während einer Plenarwoche besuchen. Der Besuch ist in unserem Schulprogramm für die Jahrgangsstufe 12 verankert und ich hoffe, dass wir diese Tradition auch in den nächsten Jahren fortführen können. Dafür geht ein großer Dank an Frau Thomas vom Hessischen Landtag, die es dank ihres Organisationstalents immer wieder möglich macht, unsere ungewöhnlich große Gruppe an einem Tag im Jahr einzuplanen. Der größte Dank gilt jedoch den Schülerinnen und Schülern mit ihren PoWi-Lehrkräften Herrn Eichler, Herrn Müller, Frau Nothnagel, Frau Sargh, Herrn Singh, zusammen mit Frau Partikel, Frau Konze und Frau Kalkstein, die mit ihren Fragen, ihrem Engagement und ihrem Interesse den Erfolg der Veranstaltung bestimmten.
Zum Abschluss der Gesprächsrunde warb Fabian Beine, Sprecher des CDU-Landtagsabgeordnete unseres Wahlkreises Axel Wintermeyer, für ein politisches Engagement unserer Schülerschaft. Fabian Beine, heute Rechtsreferendar im zweiten Jahr, startete seine politische Karriere als Schulsprecher der Eichendorffschule in Kelkheim, wo er u.a. für eine Rückkehr von G8 auf G9 plädierte. Politische Partizipation beginne nicht erst in der Schule, diese sei jedoch ein geeigneter Ort, sich für die eigenen Belange zu engagieren. „Heute sitzen Sie uns noch gegenüber, doch schon in wenigen Jahren sitzen Sie vielleicht neben uns hier auf diesen Stühlen oder im Sitzungssaal nebenan.“ Es komme auf jeden an! Wiesbaden, 11:15 Uhr – dann mal los ….
Tanja Nurtsch
Organisatorin
Lehrkraft für Wirtschaftslehre und Politik und Wirtschaft